Voraussetzungen und Organisation der Zusammenarbeit

Gespräch mit Katrin von Lehmann und Nicole Schuck

Birgit Effinger

Was waren für euch wichtige Voraussetzungen unserer Zusammenarbeit?

 

Katrin von Lehmann

Sich auf das Projekt wirklich einzulassen. Mir war zunächst nicht klar, wie viel Zeit das braucht. Die Zeit für die Arbeit im Atelier oder für eigene Projekte wird weniger. Eine andere unausgesprochene Voraussetzung war, dass wir uns auch menschlich verstehen.

 

Nicole Schuck

Ja, und das persönliche Feuer, die persönliche Motivation: Was reizt einen an der Zusammenarbeit, also daran, Teil von einer Gruppe und Teil von so einem Projekt zu sein? Was ist das persönliche Narrativ? Es ist wichtig, das zu kennen. Besonders in Krisensituationen kann das einen besser durch komplizierte Phasen tragen.

Wenn man einander schätzt, kann man zusammen in eine gute Arbeitsdynamik auf Augenhöhe kommen.

Sobald ich mit anderen in Austausch trete, passiert intellektuell, konzeptionell und energetisch etwas anderes. Es entsteht etwas Neues, das ich alleine nicht hinbekomme. Das finde ich sehr wertvoll. Dafür ist auch gegenseitiges Vertrauen notwendig, denn ich bringe mein eigenes Vorgehen ein und werde darin gespiegelt. Eigentlich ist das nicht hierarchische Miteinander Beziehungsarbeit auf vielen Ebenen. Wachsen die Teilnehmenden miteinander oder bremsen sie sich gegenseitig aus? Unsere Zusammenarbeit hat nicht nur viel Zeit gekostet, sondern auch energetisch einiges abverlangt.

 

Katrin VON Lehmann

Es gab auch tolle Momente. Wenn jeder sich so einbringt, wie er kann. Da war auch viel Energie zu spüren.

© Julia von Schottky   Gemeinsame Experimentalwoche mit Katrin von Lehmann, Sabine Popp, Julia von Schottky, Nicole Schuck, Markus Schwander

Nicole Schuck

Wir haben auch ziemlich viel Zeit mit Organisatorischem verbracht. Zukünftig würde ich das anders gewichten. Das Wesentliche ist ja der inhaltliche Austausch. Es ist deshalb sinnvoll, die Zeit besser einzuteilen und eine andere Zeitstruktur zu entwickeln. Wir haben öfter erst einmal eine halbe Stunde über Privates geredet, bevor wir zum Kern des Projektes kamen. Das ist ja auch wichtig, aber dafür können wir möglicherweise andere Termine verabreden.

 

BIRGIT EFFINGER

Die Herausforderung liegt wie immer darin, neben dem Inhaltlichen auch all die Fragen des Organisatorischen zu bewältigen.

 

Katrin VON Lehmann

Das ist auch in der eigenen künstlerischen Arbeit eine Herausforderung. Die Organisation ist ein weit verbreitetes Problem.

Egal in welchem Beruf, man sitzt nur noch vor dem Rechner und organisiert.

Das potenziert sich, und du hast immer mehr Sachen zu tun.

 

BIRGIT EFFINGER

Unsere Zusammenarbeit zeigte sich in der Ausstellung in einem Nebeneinander von individuellen künstlerischen Positionen und einer Gemeinschaftsarbeit. In welchem Verhältnis stehen für euch das Mit- und Nebeneinander?

 

 

© Lutz Bertram   Gemeinschaftsarbeit in der Ausstellung 'feldern', 2021, Zentrum für Aktuelle Kunst-Zitadelle Spandau,

Nicole Schuck

Eine Gruppe kann die andere, neue Wahrnehmung und die Positionierung der eigenen Arbeit gut unterstützen. Im Verlauf unserer Berufserfahrungen haben wir alle unsere künstlerische Arbeit weiterentwickelt und bauen auf diesen Erfahrungen in neuen Projekten auf. Bei der Gruppenarbeit standen wir am Anfang, das hat Vor- und Nachteile. Bestenfalls entsteht gemeinschaftlich etwas überraschend anderes. Ein weiterer Faktor ist die finanzielle Frage: Wenn ich einen Auftrag bekomme, mit dem ich ein paar Tausend Euro verdiene, muss ich dem nachgehen. Dem gegenüber steht ein interessantes Projekt, mit dem ich in drei Jahren 500 Euro verdiene.

 

Die Zusammenarbeit ist auch eine wirtschaftliche Frage. Geben wir in Zukunft so viel Energie in das gemeinsame Projekt, dass wir uns etwas gemeinsam aufbauen und finanziell leisten können?

Ich hätte Interesse daran, auf den bisherigen Erfahrungen aufzubauen und neue Strukturen und Vorgehensweisen zu finden. Ich möchte und muss allerdings auch meine eigene Arbeit weiterverfolgen, weil sie mir sehr wichtig ist und meinen Kühlschrank füllt. Beide künstlerischen Ansätze müssen zusammengehen, sonst klappt es nicht.

 

Katrin Von Lehmann

Ich fand das Nebeneinander bei diesem ersten Projekt wichtig und richtig. Als Ergebnis unseres Arbeitsprozesses sehe ich die Frage: Braucht es wirklich noch einen Raum mit Einzelpositionen? Bei einem Folgeprojekt interessiert mich, inwieweit die einzelnen künstlerischen Arbeiten in unser gemeinsames Tun hineinreichen.

 

Nicole Schuck

Das hängt von dem ab, was wir miteinander in Bezug setzen wollen. Ich möchte etwas gemeinsam machen, was ich sonst nicht mache. Ich bringe wie alle anderen meinen „Kosmos“ in das Projekt ein. Das ist unser Nährboden. Im Zusammenspiel bietet sich dann die Chance, andere Dinge auszuprobieren und sich dabei auf die anderen einzulassen. Die Betrachtenden müssen nicht unbedingt erkennen, was in dem Projekt von mir ist. Das ist für mich ein großer Mehrwert gemeinschaftlicher Projekte. Das Prozesshafte spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich finde es spannend, auch die Prozessergebnisse zu befragen: Wie vermittelt sich unser Vorgehen? Und was nimmt das Publikum wahr? Denn wir gehen mit den gemeinsamen Arbeiten auch nach außen.

 

 

Die Betrachtenden müssen nicht unbedingt erkennen, was in dem Projekt von mir ist. Das ist für mich ein großer Mehrwert bei gemeinschaftlichen Projekten.

Das Prozesshafte spielt dabei eine wichtige Rolle. Ich finde es spannend, auch die Prozessergebnisse zu befragen: Wie vermittelt sich unser Vorgehen? Und was nimmt das Publikum wahr? Denn wir gehen mit den gemeinsamen Arbeiten auch nach außen.

 

 

© Lutz Bertram   Nicole Schuck, Geschätzte Meerestiere, seit 2017, Installationsansicht ZAK-Zentrum für Aktuelle Kunst, 2021

Birgit Effinger

Was bringt diese Offenheit und Prozessorientiertheit der Dinge mit sich? Und muss ich als Außenstehende jeden Schritt nachverfolgen, um die Arbeit zu verstehen?

 

Nicole Schuck

Zunächst hat Corona immer auch die Richtung unseres Vorgehens mitbestimmt. Wir wussten bis kurz vor der Eröffnung nicht, ob wir Performances, Gespräche und Spaziergänge mit Publikum durchführen können.

 

Katrin von Lehmann

Diese Beschränkung der Rahmenbedingungen hat unser Projekt auch weitergebracht. Wir mussten uns zwangsläufig auf diese Hindernisse einlassen.

 

Nicole Schuck

Die Offenheit hängt aber auch von den Vereinbarungen ab, den Spielregeln, die gemeinsam festgelegt werden. Es kommt auf den Fokus an: Was wollen wir herausfinden? Soll am Ende eine Ausstellung stehen, oder ist es eine Recherche, ein Experiment, ein Workshop für uns oder für Besuchende? Das sind Vereinbarungen. Dementsprechend ist das Resultat zu verorten und zu kommunizieren.

 

Und wenn wir mit einer Institution oder einem Ausstellungsort zusammenarbeiten, braucht dieser Ort ebenfalls die Offenheit, sich auf das ungewisse Ergebnis einzulassen.

Birgit Effinger

Gibt es etwas, was ihr im Rückblick anders machen würdet?

 

Katrin von Lehmann

Für mich war schwer einzuschätzen, wie schnell wir etwas zusammen entwickeln können. Dafür braucht es Übung, es bedeutet Zeitaufwand und Arbeit: die Projektkonzeption, die digitale Reihe, die wir zirkulär nannten, digitale Workshops, die Ausstellung. Es braucht auch Zeit, um sich das alles anzuschauen und einzuordnen. Das habe ich vollkommen unterschätzt. Die Reflexion über die gemeinsamen Aktionen war mitunter auch anstrengend und eine Herausforderung. Zudem ist die Reflexion bis heute nicht abgeschlossen.

 

 

Katrin Von Lehmann, Proxy 6 und Proxy 21 aus dem Projekt 'Leerstelle des Unbekannten/Nichts stimmt mehr', 2015 fortlaufend, Ausstellungsansicht ZAK-Zentrum für aktuelle Kunst-Zitadelle Spandau, 2021 © Lutz Bertram   l. u.r.: Katrin Von Lehmann, Katrin von Lehmann, Proxy 6 und Proxy 21 aus dem Projekt ‚Leerstelle des Unbekannten/Nichts stimmt mehr‘ 2015 - fortlaufend,

Nicole Schuck

Wir haben ein riesiges digitales Archiv, bei dem immer noch unklar ist, wie wir damit umgehen. Mit diesem ganzen Material habe ich mich oft überfordert gefühlt. Das funktionierte für mich nicht gut.

 

Birgit Effinger

Ich vermisse diesen reflektierenden, durchaus kritischen Rückblick auf unsere digitalen Aktionen auch. Das würde ich beim nächsten Mal vehementer einfordern. Beim der Zusammenarbeit lernt man sich erst mit der Zeit besser kennen. Am Anfang war alles neu, der Umgang mit Krisen und Phasen der Auseinandersetzung war für mich unklar. Wie wollen wir miteinander arbeiten? Wie bringe ich konstruktives Feedback ein?

 

Nicole Schuck

Feedback ist sinnvoll für das gemeinsame Arbeiten, es geht beim Zusammenarbeiten ja um Weiterentwicklung und konstruktive Auseinandersetzung.

 

Katrin von Lehmann

Feedback ist auch komplex und bürgt die Gefahr, dass man sich verheddert. Wir haben uns nicht genug Zeit genommen, um das anzuschauen, was wir gemeinsam gemacht haben.

 

Birgit Effinger

Einerseits geht es also darum, die Regeln der Zusammenarbeit als Leitfaden zu modifizieren, und zugleich auch um die Gewährleistung von Ergebnisoffenheit.

 

Nicole Schuck

Alle Beteiligten wissen vorher nicht, was in dem Arbeitsprozess passieren wird.

 

Dabei hat nicht eine Person eine Idee, die alle teilen und dann ausführen. Vielmehr bildet die Zusammenarbeit den Kern.

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