Kunstproduktion und Alltag. Mit Alexander Wagner

Alexander Wagners künstlerischen Praxis umfasst unterschiedliche ästhetische Verfahrensweisen und Materialien - Malerei, Siebdrucke auf Textilien, Emaille und ortsspezifische Malerei-Installationen die einen vielgestaltigen Werk-Komplex eröffnen – ein Reservoir vielfältiger Ambitionen und Affekte (seitens der Betrachter*innen).

Foto: Alexander Wagner   Alexander Wagner, o.T., 2021, Acryllack und Dispersion auf Stoff, 35 x 30 cm

Dein vielgestaltiger Werkkomplex schöpft aus einem ein riesigen Reservoir mannigfaltiger Ambitionen. Wie entstehen deine Arbeiten?

 

Meine ortsspezifischen Arbeiten entstehen meist im Zusammenhang mit einer Ausstellung. Ich finde es spannend, mit welch einfachen Mitteln sich unsere Umgebung verändern lässt. Das Spiel mit der Wahrnehmung, das ich in den einzelnen Malereien und Papierarbeiten thematisiere, übertrage ich auf den Raum und stelle so einen Bezug zwischen dem Bild und dem realen Raum her. Die Kunst ist ja nicht losgelöst, sondern ein Teil unserer Welt.

 

Foto: Florian Luxenburger   Ausstellungsansicht, Galerie der Hochschule für Bildende Künste Saarbrücken, 2022, Projektion auf Fenster, Maße variabel

Wie entscheidest du dich für ein spezifisches Material?

 

Die verschiedenen Materialien in meiner Arbeit sind oft Teil der Bildfindung und/oder Motiv zugleich. So reizte mich bei den Emaillearbeiten das spezifische Potenzial dieser Technik: die Art und Weise, wie sich die Farben verhalten und wie ich den Bildträger, also das Kupfer, bearbeiten kann. Das wollte ich mit Blick auf die Malerei untersuchen. Ähnlich verhält es sich mit dem Siebdruck, der es möglich macht, der Malerei eine andere Geste und Energie entgegenzusetzen. Das beeinflusst den Prozess der Bildfindung entscheidend.

Mich interessiert, wie sich verschiedene Ideen und Energien in ihrer Gesamtheit ergänzen.

Ich nehme ja selten ein Bild alleine wahr, sondern immer in Bezug zu dem umgebenden Raum oder zu anderen Bildern. Diese Brüche werden im Ausstellungskontext ganz bewusst choreografiert. Das ist immer auch das Ergebnis einer Atelierarbeit, die sich für längere Zeit nur mit einem speziellen Werkkomplex beschäftigt und bei dem sich die Arbeiten aus dem Prozess heraus entwickeln.

 

Für dich steht ein Bild immer in einem ganzen Bezugsregister, in Bezug zum umgebenden Raum, zum Ort, in meinen Augen auch immer zur Kunstgeschichte, also zu all den bereits geschaffenen Bildern und selbstredend zu unserer Zeit. Wenn du nun an einem spezifischen Werkkomplex arbeitest, wie gestaltet sich das im Alltag?

 

Die Atelierarbeit halte ich mir aktiv frei. Idealerweise habe ich keine weiteren Termine oder Verpflichtungen, was natürlich im Alltag schwierig ist. Mir ist wichtig,  die richtigen Voraussetzungen zu schaffen: Vormittags bearbeite ich Mails, und gegen Mittag gehe ich ins Atelier. Über die Zeit hat sich dieser Rhythmus so ergeben. Ich beginne die Arbeit im Atelier mit praktischen Dingen, währenddessen schaue ich mir an, was ich am vorigen Tag gemacht habe und nehme den Faden wieder auf. Ich gehe aber auch ins Atelier, ohne genau zu wissen, was als Nächstes ansteht, und schaue, was sich ergibt, und experimentiere.

Foto: Marlene Zoe Burz   Ausstellungsansicht, „What was the Connoisseur?“ Spoiler Zone, Berlin, 2020

Wir sprachen neulich über Rituale. Der Begriff hat mich noch einige Zeit begleitet, denn beim eigentlichen Malen sind Rituale in meiner Arbeit nicht hilfreich. Ganz im Gegenteil: Ich versuche ja gerade nicht, mich in gewohnten Bahnen zu bewegen, sondern etwas zu entdecken, von dem ich nicht weiß, wie es aussieht, und mich zu überraschen. Es geht darum, die richtige Balance zwischen Ritual im Sinne von Kontrolle und dem Experiment im Sinne von Kontrollverlust zu finden.

 

Die spannendsten Arbeiten sind für mich die, die schon einmal am Abgrund standen, die das Risiko des Scheiterns durchlebt haben.


Vielleicht ist „Ritual“ auch nicht der richtige Begriff, sondern eher „Routine“. Wie schaffst du, den Blick zwischen all den Alltagsanforderungen offen zu halten und gegebenenfalls auch zu scheitern. Es erfordert Mut, sich anstelle des gewohnt Bekannten ins Offene zu begeben.


Ich habe dafür keine Tricks auf Lager. Das Entscheidende ist das In-der-Arbeit-Sein. Das Herausfordernde ist, erst einmal an diesen Punkt zu kommen. Da kann man nicht tricksen. Dafür muss ich intensiv Zeit im Atelier verbringen.

Das ist das Besondere an der Malerei: Man erkennt jede Form von Trick sofort.

Ist es dann die Zeit, die dich zu dieser Intensität bringt, oder wie kommst du quasi frisch von Haushalt, Kind und Kegel in die Arbeitspraxis?

 

Zwischen Haushalt, Kind und Kegel lege ich Übergangsphasen ein. Ich laufe meist ins Atelier, um den Kopf freizubekommen. Oft sitze ich anfangs vor den Arbeiten, schaue und überlege, wie es weitergehen könnte, ohne etwas Praktisches zu tun. Es kann gut sein, dass ich einige Stunden im Atelier verbringe, bis ich wirklich in der Arbeit angekommen bin. Praktische Handgriffe wie das Aufspannen der Leinwand helfen, um ins Machen zu kommen. Idealerweise kann ich bis in den späten Abend arbeiten. Mit der Zeit habe ich verstanden, dass der eigene Rhythmus wichtig ist, um produktiv zu sein,

Das Ausbalancieren von Job, Haushalt, Kind und Kegel ist auch ein Teil der Arbeit als Künstler*in.

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